Trauerrede für Ruth am 28. Februar 2025
Ruth Wagner war eine der besonderen Menschen, die die Welt besser machen. Durch ihr Charisma, ihre Kreativität, ihren Humor, ihren Mut und ihre kluge Menschenführung hat sie das Kulturleben der Stadt Kassel nachhaltig geprägt.
Um Aussagen wie diese wiedergeben zu können und die vielen Facetten, die Ruth ausgemacht haben, zumindest andeuten zu können, haben wir einige Vertreter:innen der Kasseler Kultur befragt, welche Bedeutung Ruth für sie bzw. für die Szene hatte.
Diese wenigen stehen für die Vielfalt der Kultur in Stadt und Umland und auch für diejenigen, die nicht explizit zu Wort kommen.
Ruth war eine Kümmerin
Im allerbesten Sinne des Wortes. Sie hatte immer ein offenes Ohr und ebenso ein offenes Wort um auch mal ein „Das ist doch totaler Quatsch“ rauszuhauen. Sie nahm Ideen ernst, ging „liebevoll“ damit um und führte ihre Gesprächspartner bis zu einer abstimmungsfähigen Präsentation. Dabei zeigte sie eine Grundhaltung einer geradezu mütterlichen Sorge um die Künstler:innen.
Für die freie Szene war sie eine Garantin, eine Fürsprecherin, die sich mit Haut und Haaren für die Weiterentwicklung und Zukunftssicherung einsetzte.
Sie hatte eine unnachahmliche Art, Sinn hinter scheinbar noch so unzusammenhängenden und verworrenen Ideenskizzen zu erkennen.
Mitunter konnte sie die eigenen Projekte viel stimmiger und pragmatischer erklären als man selbst… …und plötzlich kristallisierte sich ein stimmiges Bild heraus. Das war Ruths Magie!
Ruth war eine Vernetzerin
Im Schatten des Rampenlichts hat sie überaus klug und kundig, mit Liebe und listiger Freude die stärksten Fäden gesponnen und in Händen gehalten, ohne dass dies den an diesen Fäden Handelnden je recht bewusst geworden wäre.
Mit den Worten „Komm mal mit, ich muss dir wen vorstellen“ führte sie zwei Personen zusammen und war schon wieder im Hintergrund verschwunden. Dabei hatte sie einen guten Kompass und eine klare Vorstellung davon, wie und mit wem sie was erreichen konnte.
Ruth war weltoffen – nach innen und außen, ihr Blick ging immer über den eigenen Horizont und über den der Region hinaus.
Ruth war Ermöglicherin
"Geht nicht, gibts nicht“ sagte sie und fragte „Im Rahmen des Möglichen, was soll das sein? Wir schau´n mal anders drauf, es gibt immer einen Weg!“.
Wenn sie eine Idee entwickelte, hatte sie „Freude“, manchmal sogar „diebische“ Freude, wenn es gelungen war, ein Projekt zu realisieren, das "eigentlich" nicht möglich war.
Im besten Sinne kann man sagen, dass Ruths Engagement und Energie eine große Portion unkonventionellen Handelns zugrunde lagen, zwischen erfrischend, liebeswert unbekümmert, aber durchaus subjektiv selektierend und immer auch subversiv.
Voraussetzung für ihr erfolgreiches Handeln und Wirken war, die Abläufe und Verwaltungsvorschriften so gut zu kennen, dass sie immer wieder neue Wege fand, sie zu überlisten. Die Ergebnisse ihrer legendären Dschungelfinanzierungen waren professionelle, solide Strukturen, die sie nach und nach für die freie Szene aufgebaut und im städtischen Haushalt verankert hat. Und wenn es zum Ziel führte, scheute sie auch heftige Auseinandersetzungen nicht und verlor dabei nie den Überblick.
Zu ihrer Verabschiedung war im (K)Magazin zu lesen:
„Kulturdezernenten und Amtsleiter kamen und gingen, versuchten eigene Akzente zu setzen. Wenn sich diese zufällig mit den Ideen Wagners deckten, klappte es.“
Ruth war fürsorglich und von unglaublicher Energie
Es machte ihr Spaß, daran mitzuarbeiten, dass Projekte festen Boden unter die Füße bekamen. Oft genug war sie selbst die Drahtzieherin, deren Beharrlichkeit und Vehemenz – mit all ihrer Freundlichkeit – vor dem Kämmerer keinen Halt machten.
Sie war immer zu 100 % Profi.
Ihr Markenzeichen war dabei ihr Augenzwinkern.
Es war in vielerlei Hinsicht ein Genuss – auch kulinarisch – mit ihr am (Küchen)Tisch zu sitzen, zu planen, Strategien zu entwerfen und sich zu freuen, wenn sie aufgegangen waren.
Anpackend, energievoll, pragmatisch und energisch zugleich, so war Ruth
und dabei hatte sie alle immer auch persönlich im Blick, wie die folgende kleine Anekdote zeigt:
Regelmäßig gab es mit Ruth „vertrauliche“ Treffen bei einem ihr so wichtigen und heißgeliebten Tee – und dabei die unermüdliche Ansage und Bereitschaft zu helfen,
zu unterstützen, ihr riesiges Netzwerk für Menschen, die ihr am Herz lagen, arbeiten zu lassen.
Ruth lag einen dann immer in den Ohren, „Du musst auch Pausen machen“!
Oft dachte man dann: „Und selber?“ wann macht dieses quirlige Netzwerk in Ruth eigentlich mal Pause?
Ruth war eine Frau, die Tatsachen schuf
Sie kannte die hiesige Kultur mit all ihren Empfindlichkeiten, Stärken und Schwächen wie keine andere Person.
Ihr Ansatz dabei war: „Denkt immer die Anderen mit“.
Auch dadurch ist es ihr gelungen, viele Menschen dazu zu bewegen, mit ihren gemeinsamen Entwicklungen des Kulturlebens zu initiieren und zu festigen.
Ein Beispiel ist die Erfindung und Etablierung der Kasseler Museumsnacht, in deren Organisationskomitee sie zwischen den Fallstricken ihre Fäden zog und maßgeblich zum Erfolg beitrug.
Wenn man heute tiefer in Wesen und Identität Kassels als blühender Kulturstadt schaut, ist Ruth überall lebendig anwesend.
So wirksam sind von ihren entscheidenden Entwicklungen der letzten vier Jahrzehnte geprägt.
Sie war tatsächlich einzigartig, und wir alle haben ihr unendlich viel zu verdanken.
Wir verneigen uns vor Ruth.
Wir werden sie sehr vermissen.
Gedanken und Erinnerungen von:
Reinhard Richter, Bernd Leifeld, Friedrich Block, Gilla Dölle, Sabine Stange, Sebastian Fleiter, Inka Bachmann, Gerhard Wiesner, Achim Rache, Heike Wrede, Marco Krummenacher, Martin Sonntag und Christine Knüppel